Stammdatenmanagement im ERP-System oder softwareübergreifend? (Teil 2)

ERP- Publikationen Digitalisierung By: Dr. Harald Dreher - Okt 21, 2021

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ERP-Systeme und Master Data Management-Lösungen haben zweifelsohne größere Schnittmengen. Doch nicht immer ist ein ERP-System als Drehscheibe für das Stammdaten-Management geeignet. Der im Zuge der Digitalisierung steigende Bedarf nach vielfältigen, individuellen Software-Lösungen begünstigt oft ein übergeordnetes Stammdatenmanagement. Dies Betrifft sowohl ERP Software als on premise Lösungen als auch Cloud ERP Systeme, so dass Sie zum Thema Stammdaten mit diesem Artikel alle Softwarenutzungen vergleichen könnnen 

Stammdatenmanagement im ERP-System

 

ERP-Systeme und Master Data Management-Lösungen haben zweifelsohne größere Schnittmengen. Doch nicht immer ist ein ERP-System als Drehscheibe für das Stammdaten-Management geeignet. Der im Zuge der Digitalisierung steigende Bedarf nach vielfältigen, individuellen Software-Lösungen begünstigt oft ein übergeordnetes Stammdatenmanagement. Dies Betrifft sowohl ERP Software als on premise Lösungen als auch Cloud ERP Systeme, so dass Sie zum Thema Stammdaten mit diesem Artikel alle Softwarenutzungen vergleichen könnnen 

Dieser Artikel ist Teil 2 einer dreiteiligen Artikel-Serie zum Thema “Stammdaten“. Die anderen Teile der Artikel-Serie sind:

    1. ERP-Systeme, Stammdaten und neue Herausforderungen (Teil 1)
    2. Stammdatenmanagement & Digitalisierung:
      Aspekte der praktischen Umsetzung und Softwarewahl (Teil 3)
  1.  

Inhaltsverzeichnis

  1. Wo ERP-Systeme an Grenzen stoßen
  2. Übergeordnetes Stammdatenmanagement: von Marktanforderungen und der Public Cloud begünstigt
  3. Zentralisiertes Stammdatenmanagement: eine Voraussetzung, um Daten-Silos zu beseitigen
  4. ERP-Systeme & Stammdaten: oft nur grundsätzliche MDM-Funktionalität unterstützt
  5. Zusammenfassung und Blick auf die Weiterentwicklung bei einer ERP-Auswahl

 

 

Wo ERP-Systeme an Grenzen stoßen

Nicht selten entscheiden sich Unternehmen das eigene ERP-System, als einen Stammdaten-Hub zu nutzen. An der Oberfläche besteht da auch eine gewisse Logik, schließlich soll eine ERP-Lösung Unternehmensprozesse vereinen. Entscheidet man sich jedoch das ERP-System zum Master Data-Mittelpunkt zu machen, erlebt man nicht selten eine unangenehme Überraschung. Man stellt dann fest, dass es immer wieder erforderlich wird, Stamm- und andere Daten aus dem ERP-System in andere Software-Lösungen hin und zurück zu übertragen.

Bei einem effektiven Stammdatenmanagement geht es in erster Linie darum, einen Gesamtblick auf relevante Unternehmensdaten zu bekommen, der an keine Anwendungen gebunden ist. Das Thema Stammdaten und ERP Einführung kann dabei den größten Baustein bilden, aber eben nicht den einzigen. Vielmehr agiert das System in erster Linie auf der Anwendungs- und Prozessebene. Ein Stammdaten-Management sollte jedoch unabhängig von bestimmten Anwendungen sein, damit das volle Potenzial, das sich aus der Gesamtheit der Unternehmensdaten ergibt, adäquat ausgeschöpft werden kann.


Stammdatenmanagement: ein ERP-System ist nicht grundsätzlich ungeeignet

Das heißt natürlich nicht grundsätzlich, dass ein ERP-System zur Stammdatenverwaltung ungeeignet ist. In Abhängigkeit vom Geschäftsmodell eines Unternehmens, bestehen Situationen, wo das durchaus angebracht sein kann. Vor allem sollte es dann in Betracht gezogen werden, wenn die Anzahl der spezifischen Software-Lösungen im Unternehmen überschaubar ist bzw. die Daten dort für eine Gesamtsicht weniger relevant sind. Eine Anbindung bzw. Integration der individuellen Software-Lösungen – mit einem ERP-System als Stammdaten-Hub – kann in diesem Fall das Mittel der Wahl sein.

 

 

Stammdaten und ERP-Systeme

 

 

Übergeordnetes Stammdatenmanagement: von Marktanforderungen und der Public Cloud begünstigt

Häufig beziehen Unternehmen jedoch wichtige Informationen von Beginn an aus mehreren Datenquellen. Neben einem ERP-System gibt es noch ein CRM-System, spezielle Software-Lösungen innerhalb der Abteilungen – etwa eine HR-Software – oder ein MES-System. Dazu kommen Daten, die aus dem einen oder anderen Grund in Excel-Tabellen vorgehalten werden. Falls dann noch Niederlassungen und zugekaufte Unternehmen über eigene ERP-Systeme verfügen, verkompliziert sich das Ganze nochmals. Auch die schnellen Weiterentwicklungen im Zuge der digitalen Transformation tragen zur Problematik bei. In Fachabteilungen gewinnen dabei spezielle Software-Lösungen aus der Public Cloud immer mehr an Bedeutung. Die aktuelle Diskussion und Problematik über die Zunahme der Schatten-IT im Zusammenhang mit Software-as-a-Service-Angeboten unterstreicht diesen Trend.

In der Tat sollte man davon ausgehen, dass die Anzahl der speziellen Lösungen innerhalb der Fachabteilungen mit der Verbreitung des Public Cloud Computings auch weiterhin deutlich zunehmen wird. Viele kleinere Unternehmen können sich jetzt Software leisten, die vormals nur Großunternehmen zugänglich war. Die niedrigen ökonomischen Einstiegshürden und flexible Einsatzmöglichkeiten machen das realisierbar. Darüber hinaus steigt in vielen Branchen die Marktnachfrage nach immer feiner angepassten und abgestuften Produkten und Dienstleistungen. Diese Anforderungen lassen sich oft nur mithilfe spezieller Software verwirklichen.

 

ERP-Systeme: trotz wachsender Leistungsfähigkeit nicht alle Anforderungen erfüllbar

ERP-Systeme werden natürlich fortlaufend weiterentwickelt – und sie können mittlerweile mit Funktionalität aufwarten, die weit über die Grundzüge hinausgeht. Führende ERP-Hersteller bieten schon heute den Zugang zu solchen fortgeschrittenen Technologien wie Business Data Analytics, Machine Learning oder Blockchain im Rahmen ihrer ERP-Systeme. Doch wird ERP-Software – nicht zuletzt auch, weil sie andere Schwerpunkte verfolgt – alle markt- und branchenspezifischen Anforderungen vermutlich nie in adäquater Breite und Tiefe abbilden können.

 

Stammdatenmanagement: Zunahme unstrukturierter Daten begünstigt übergeordnete Instanzen

Strukturierte Daten sind Daten, die sich relativ einfach systematisch aufbereiten lassen. Dazu gehören Kunden- bzw. Lieferantenadressen oder Produkteigenschaften. Dagegen handelt es sich bei unstrukturierten Daten, um Daten, die nicht ohne Weiteres (maschinell) verarbeitet werden können. Es müssen hierbei zuerst sachgerechte Kriterien festgelegt werden, nach denen die entsprechenden Informationen herausgefiltert werden sollen. Diese Daten können in Texten, Videos oder Audio-Dateien enthalten sein. Nach unterschiedlichen Schätzungen sind etwa 80% der Unternehmensdaten unstrukturiert – mit steigender Tendenz.


Unstrukturierte Daten entscheidend für den Unternehmenserfolg

Unstrukturierten Daten kommt jedoch eine zunehmende Bedeutung zu. Sie enthalten oft wertvolle Zusatzinformationen, die Stammdaten deutlich aufwerten können. Sie ermöglichen, Produkte und Dienstleistungen feiner auf Zielgruppen abzustimmen und auf Trends schneller zu reagieren. Beschäftigt man sich näher mit unternehmensbezogenen Pannen und Desastern, wird schnell klar: Viele von ihnen kommen nicht spontan, sondern kündigen sich schon seit geraumer Zeit an. Das eigentliche Problem besteht oft darin, dass die Anzeichen dafür nicht rechtzeitig wahrgenommen werden. Umgekehrt gilt das auch für unternehmerische Chancen. Unternehmen, die aufgrund besserer Daten feinere Marktsignale wahrnehmen, werden in die Lage versetzt, profitable Geschäfte und Nischen früher als die Konkurrenz zu erschließen. Hierbei spielen unstrukturierte Daten jedoch bereits heute eine wichtige Rolle. Das können z. B. vermehrt auftretende kritische Tweets über das eigene Produkt oder die Dienstleistung sein oder zeitnahe Berichte über Unwetterwarnungen in der Gegend, wo wichtige Lieferanten ihren Sitz haben. Damit die Vorteile, die unstrukturierte Daten mit sich bringen, realisiert werden können, sollten sie nach einer Aufbereitung mit den entsprechenden Stammdaten verknüpft werden. Darüber hinaus sollten die Stammdaten vollständig und von überall schnell zugänglich sein. Sind die Daten zersplittert, liegen sie mehrfach in unterschiedlichen Formaten und Detaillierungsgraden vor, ist eine schnelle und umfängliche Einschätzung der Lage und zeitnahe Reaktion nicht möglich. Weil, wie schon ausgeführt wurde, viele Unternehmen neben einer ERP-Lösung eine tendenziell wachsende Anzahl von Datenquellen haben, kann hier nur ein übergreifendes Stammdatenmanagement wirksame Abhilfe verschaffen.


 

Zentralisiertes Stammdatenmanagement:
eine Voraussetzung, um Daten-Silos zu beseitigen

In vielen Organisationen setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass eine übergreifende Zusammenarbeit zwischen der IT und dem Fachbereich sehr wichtig ist, um die neuen Anforderungen im Umgang mit Daten zu bewältigen. Im Bereich der Softwareentwicklung hat sich in diesem Zusammenhang der Begriff DevOps durchgesetzt. Hierbei geht es um einen Arbeitskulturwandel und Ansätze, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Software-Entwicklern und dem IT-Betrieb sicherstellen sollen. Ähnliches gilt zunehmend auch für die Zusammenarbeit zwischen der unternehmenseigenen IT und anderen Bereichen. Damit das Miteinander jedoch funktioniert, ist es wichtig, zunächst Ordnung in die Stammdatenwelt zu bringen. Denn nur dann, wenn alle Beteiligten Zugang zu vollständigen aktuellen Daten haben, kann eine Zusammenarbeit reibungslos funktionieren.

Stammdaten: Fachabteilungen haben unterschiedliche Blickwinkel

Hinzu kommt, dass jede Fachabteilung ihre eigene Perspektive auf Kunden, Lieferanten, Produkte und andere Stammdaten hat. Das entscheidet über die Informationen und Zusammenhänge, die sie benötigen und für relevant halten. Das wiederum führt dazu, dass unterschiedliche bzw. unterschiedlich vollständige Datensätze über das gleiche Produkt, den gleichen Kunden oder Lieferanten angelegt werden. So ist z. B. ein Kunde für den Vertrieb interessant, weil er als potenzieller (Wieder-)Käufer infrage kommt. Die Buchhaltung hingegen interessiert sich mehr für die Bonität derselben Person. Das hat Auswirkungen auf Schwerpunkte der angelegten Daten, die sich dadurch oft überschneiden sowie unvollständig und redundant sind. Hinzu kommt, dass jede Abteilung unter Umständen neben dem ERP-System weitere spezielle Software-Lösungen oder Excel-Tabellen nutzt.

Übergreifendes Stammdatenmanagement sorgt für eine Gesamtsicht in Fachabteilungen

Hier werden die Vorteile eines übergreifenden Master Data Managements klar. Werden Daten in einem Master Data Management-System (MDM-System) aufbereitet, hat jede Fachabteilung Zugriff auf die gleichen Informationen, im gleichen Umfang. So können Mitarbeiter jeder Abteilung die Daten im unternehmensweiten Kontext sehen und dadurch bessere Entscheidungen treffen. Der Kundenservice könnte beispielsweise die entsprechenden Produktstammdaten im MDM-System mit für andere Abteilungen relevanten Hinweisen verknüpfen. Z. B., dass sich bei der neuen Software-Benutzeroberfläche laut Nutzerfeedback einige Programmfunktionen nicht mehr intuitiv auffinden lassen. Die Entwicklung und Produktion hätten darauf Zugriff und könnten zeitnah reagieren. In einem anderen Fall könnten Mitarbeiter in der Entwicklungsabteilung gleich sehen, dass der Lieferant, das zu Planungszwecken benötigte Vorprodukt bereits durch eine Nachfolgeversion ersetzt hat. Ein softwareübergreifendes Stammdatenmanagement würde hier für eine umfängliche Sicht sorgen, egal ob die Datenquelle ein ERP-System oder eine andere Software ist.

 

ERP-Systeme & Stammdaten: oft nur grundsätzliche MDM-Funktionalität unterstützt

Der Umfang und die Tiefe der Funktionalität der ERP-Systeme nehmen im Laufe der Zeit kontinuierlich zu. Allerdings ist es oft auch so, dass ERP-Lösungen – es gibt hier natürlich auch Unterschiede von Hersteller zu Hersteller – die zur Stammdatenverwaltung erforderlichen Tools nur in den Grundzügen abbilden. Der Suchprozess zum Auffinden von Duplikaten könnte hier als Beispiel dienen. Falls die Suchfunktion eines ERP-Systems nur eine Suche nach genauen Begriffen zulässt, werden Stammdatensätze mit alternativen Schreibweisen oder in anderen Formaten sehr oft nicht aufgefunden. Fernerhin steigt dadurch auch die Wahrscheinlichkeit, dass Duplikate angelegt werden. Dazu beherrschen viele ERP-Systeme oft nicht die Feinheiten, wenn es um Zugangsberechtigungen und Rückverfolgbarkeit von Daten geht. Solche und weitere Funktionalität lässt sich jedoch in einer unternehmensweiten Master Data Management-Lösung implementieren.

Zusammenfassung und Blick auf die Weiterentwicklung bei einer ERP-Auswahl

Die Diskussion hat gezeigt, dass es in vielen Fällen sinnvoll sein kann, das Stammdatenmanagement nicht im ERP-System, sondern softwareübergreifend aufzusetzen. Das wird durch die zunehmenden Datenquellen in Organisationen aufgrund der aktuell schnell wachsenden Datenmenge umso wichtiger.

Die Bedeutung von ERP-Software wird dabei – zumindest soweit es sich absehen lässt – nicht abnehmen. Im Gegenteil ERP-Systeme – insbesondere von führenden Herstellern – warten mit zahlreichen technologischen Neuerungen auf – solchen wie Data Analytics, maschinelles Lernen oder Blockchain. Auch steigt die Anzahl der (Unter-)Module und die Funktionalität, die branchenspezifische Anforderungen in immer mehr Breite und Tiefe abbilden. Gleichzeitig wachsen jedoch auch die Spielräume für spezifische Software-Lösungen. Die Vorteile eines übergeordneten Stammdatenmanagements im Zeitalter schnell wachsender Datenmengen lassen sich vielleicht ein wenig mit einem frisch angesetzten Hefeteig für einen Kuchen vergleichen. Vom zunehmenden Teigvolumen profitiert später jedes einzelne Kuchenstück – es wird entsprechend größer. Ein ERP-System würde in diesem Vergleich mehrere einzelne Kuchenstücke umfassen. Im Hinblick auf ein system- und softwareneutrales Stammdatenmanagement würden deswegen alle unternehmensrelevanten Software-Lösungen gewinnen – die ERP-Systeme jedoch verhältnismäßig mehr.

 

 

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